Deutschlands sexuelle Tragödie

Der Gründer der Arche e.v. in Berlin und anderen Städten Deutschlands, Bernd Siggelkow, bringt durch sein neues Buch „Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist“ (Bernd Siggelkow, Wolfgang Büscher) wieder ein Thema an die Öffentlichkeit, das wir nicht wahrhaben wollen: viele Kinder lernen nicht mehr was Liebe ist. Ich habe das Buch erst bestellt und kann noch nichts über den Inhalt sagen, da es noch nicht da ist – in der Beschreibung steht, dass hier die Einzelschicksale von 31 Kindern und Jugendlichen erzählt werden.

Es passt gut in die Überlegungen mit rein, die mich seit einigen Monaten bewegen und schon verschiedentlich in Gesprächen und dem einen der anderen Projekt ans Tageslicht gekommen sind: Wie hat Gott sich Sex gedacht? Welchen Stellenwert, welche Geschichte hat meine Beziehung zu meinem Geschlecht (Frau/Mann) in meinem Leben? Was hat mich geprägt und wie reflektiert es sich in meinem Liebes-Leben? Was gebe ich weiter, wie lebe ich auch hier ganzheitlich Glauben und wo lebe ich ihn nicht?

Kann ich als Mensch mit meiner ganz persönlichen Geschichte von Höhen und Tiefen mit diesem Thema überhaupt etwas aussagen, oder gerade wegen der Höhen und Tiefen? Wie kann man im Gegensatz zu den eher negativ geprägten Bildern („Du darfst nicht xyz“) ein positives Bild aufbauen?

Ihr merkt: Es arbeitet in mir: Und in Dir?

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Es liegt schon ein paar Tage auf meinem „noch-nicht-gelesen“ Stapel und jetzt komme ich endlich dazu: Eine wirklich krasse Studie der 16-29 Jährigen In Amerika und deren Sicht des Christentums. Die Untersuchung bezieht sich nur auf Amerika, aber manches sollten wir trotzdem hören – es mag prophetisch sein/werden.

In einer Anfangsstudie („Unchristian: What a New Generation Really Thinks about Christianity S. 29-30) identifiziert David Kinnaman 6 generelle Wahrnehmungen und Meinungen der genannten Altersgruppe über das Christentum:

  1. Heuchlerisch/Scheinheilig (Hypocritical) das eine sagen, das andere tun. Sie sagen, dass Christen vorgeben moralisch hochstehender zu sein, ein Hochglanz Bild von sich selbst zur Kirche zu tragen, anstatt ehrlich zu sein. Die Christen erzeugen den Eindruck, dass die Kirche nur ein Ort für die tugendhaften und moralisch einwandfreien Menschen sei.
  2. Sie wollen doch ohnehin nur meine Bekehrung! Aussenstehende fragen sich, ob es uns wirklich um sie als Menschen geht oder ob wir sie nur als ‚Zielgruppe‘ sehen. Sie hinterfragen unsere Motive, wenn wir ihnen Jesus mit den Worten anbieten: Lass dich retten! Sie fühlen sich unverstanden, weil viele von ihnen die Sache mit Jesus „ausprobiert“ haben und Erfahrungen mit Kirche gemacht, ‚die sie nicht aufnimmt‘.
  3. Gegen Homosexualität. Aussenstehende sagen, dass wir uns den Meinungen und Ãœberzeugungen anderer verweigern und gegenüber Schwulen und Lesben nur Missachtung zeigen. Sie nehmen Christen so wahr, dass sie darauf fixiert sind Homosexuelle zu ‚heilen‘ und politische Schritte gegen sie zu erwirken.
  4. Zu behütet. Die Aussenstehenden denken, dass Christen altmodisch, langweilig und realitätsfern sind. Sie sagen, dass wir es mit der komplexen Realität des Lebens nicht ihr entsprechend umgehen, sondern nur einfachen Lösungen und Antworten geben. Wir Christen werden als unwillg wahrgenommen – unwillig mit dem Staub und Dreck des Lebens in Berührung zu kommen.
  5. Zu Politisch. Es wird Christen vorgeworfen nur eine politische Agenda zu haben und eine konservative Sicht des Lebens zu forcieren.
  6. Richtend. Aussenstehende denken, dass Christen sehr schnell darin sind andere zu richten. Sie meinen, dass wir nicht ehrlich dazu stehen, was wir wirklich über andere Menschen denken und ihnen auch nicht ehrlich gegenüber treten. Sie zweifeln daran. dass wir die Leute wirklich so lieben, wie wir es immer so betonen.

Ich glaube ich werde einiges von diesem Buch lernen.Einen Satz finde ich jetzt schon sehr treffend:

„Für beide, die Mosaik Generation (geb. zwischen 1984-2002) und die Boomer (geb. 1965-1984) ist das wichtigste ihres Lebens Beziehungen. Sich seinen Freunden gegenüber loyal zu zeigen ist eines ihrer höchsten Werte. Sie haben ein ausgeprägtes Bedürfnis irgendwo dazu zu gehören, etwa einer Gruppe anderer, die sie anerkennt und sich loyal ihnen gegenüber verhält. Doch unter diesem ausgeprägten Beziehungsbedürfnis liegt ein ungezähmter Individualismus.“( „Unchristian“ S. 22)

Dieses Spannungsfeld zwischen dem ungezähmten Individualismus und dem unbedingten Dazugehören wollen ist mir schon oft begegnet – im Spiegel genauso wie bei anderen. Und auch anderen Reaktionen von den 6 Punkten bin ich schon begegnet…ich bin gespannt was das Buch noch so bringt.

The new christians – Zusammengefasst von DoSi

Ich liebe es, dass wir unterschiedliche Bücher lesen und auch, dass Menschen wie DoSi ihre Leseergebnisse direkt ins Internet stellen.

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So können wir Das neue Buch von Tony Jones: „The New Christians: Dispatches from the Emergent Frontier“ (Tony Jones) in kleinen Abschnitten auf Deutsch nachvollziehen. DoSi hat das schon mit diversen anderen Büchern gemacht und ist eine tolle Quelle der Information und Inspiration – also nichts wie auf zu den 8 Teilen des Buches bei DoSi (Einführung, Kapitel 1, Kapitel 2, Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 5, Kapitel 6. Abschluss) wer das erste Kapitel des Buches auf Englisch lesen mag und/oder einige Videos, der sollte auf der Seite von Tony Jones nachschauen – es ist immer wieder gut über den Tellerrand hinaus zu schauen und zu lernen. Danke DoSi!

Missionale Gemeinde in „Zeitgeist“ (Teil 7)

Kennzeichen und Merkmale einer „Missional Church“ sind laut Tobias Faix und Mike Bischoff (Danke an Daniel, der mich an den Zeitgeist Blog erinnert hat und darauf hingewiesen, dass genau dieser Artikel dort auch zum Download angeboten wird. Also: klicken, laden, lesen!)

„Wachsende Sicht, dass die Gemeinde Familie ist und man zusammen als Gemeinschaft „on a mission“ ist.“

Die Gemeinde als Familie – wenn ein Satz schon seit wirklich 17 Jahre in mein Gehirn und mein Herz gebrannt ist, dann dieser. Warum? Persönliche Erfahrung! Schon früh hat mich das mit-leben in einer anderen als meiner Ursprungsfamilie in die Beziehung zu Gott gebracht, auf meinem Weg gibt es einige „Familienstationen“ und ohne diese wäre mein Leben kaum denkbar gewesen. Heute ist meine Bezeichnung für die Wohnung, unsere Jugendgemeinschaft „Teil der CVJM Familie“ und als Familie verstehe ich diese Gemeinschaft und als nichts anderes. Ich habe dort gleichberechtigte Schwestern und Brüder, Väter, Mütter, Cousins und Cousinen und damit auch das ganze Spektrum der Familienprobleme mit dabei. Was uns dabei vereint ist eine Sendung, eine Mission, ein Auftrag – dieser Auftrag kann immer wieder dafür sorgen, dass Familie nicht in der Erhaltung ihrer Strukturen und Reproduktion immer gleicher Verhaltensweisen und Werten endet, sondern als Ziel die Eingliederung, die Aufnahme weiterer Familienmitglieder hat. Familie und Essen gehört zusammen und der Liebesquotient einer Familie beweist sich vermutlich hier auch in besonderer Weise: Man sorgt für den anderen. Familie ist dabei beides (wie Gemeinde) Zweckgemeinschaft und Versorgungsgemeinschaft in einem.

Versuch aber mal in deiner Familie nur Nutzniesser zu sein – nur Fordernder. In einer gesunden Familie funktioniert genau dies nicht: Jeder trägt seinen Teil bei, damit die „Familienmission“ Wirklichkeit wird. In der Gemeinde, wie wir sie heute nur all zu oft erfahren müssen geht es problemlos: Wenige arbeiten für das kollektive Wohl, passive Mitglieder werden nicht herausgefordert sich ihren Möglichkeiten entsprechend einzusetzen. Oftmals haben die passiven Mitglieder dabei hohe Erwartungen an die Gemeinde und gerade da kann der organische Aufbau der Familie heilsam wirken – Familie ist zu Höchstleistungen fähig und kann für den anderen sehr viel geben – Mitarbeitendengemeinde verhält sich eher sachlicher und fragt nach den Kosten der Mitarbeiterschaft. Als mein Vater am Dienstag mit Bauchspeicheldrüsen Entzündung ins Krankenhaus gebracht wurde, war mir klar: Wir besuchen ihn und fahren 450km in einer Woche voll Terminen und Herausforderungen (es geht ihm besser und wir waren gestern dort) – das macht Familie. Die Ausrichtung auf das Ziel sich „auf einer Mission“ oder vielleicht besser „mitten in dieser Mission“ zu befinden, verhindert dabei effektiv die Exklusivität der Familie (du gehörst nicht dazu), so dass dieses Kennzeichen viele wichtige Eigenschaften einer missionalen Gemeinde mit einem organischen und uns zumeist allen zugänglichen Bild zusammen fasst.

Zu welcher Familie gehörst Du und hast Du deine Gemeinschaft schon einmal als Familie gesehen?

Missionale Gemeinde in „Zeitgeist“ (Teil 6)

Das sechste Kennzeichen von Missionaler Gemeinde ist:

„Christen werden ungleich mehr abhängig vom Gebet für die Gemeinde, weil sie die Bedeutung der Mission verstehen, in der sich Gemeinde befindet (Johannes 15, 5).“

Dazu kann man nichts sagen oder alles. Nichts, weil Gebet ein Rätsel ist, ein Mysterium, vor allem das Fürbittengebet eine Form darstellt die alles andere als „einfach“ sein kann. Und da sind wir wieder beim alles: Beim Beten kommt es darauf an das Gespräch mit dem Schöpfer zu suchen, eine übernatürliche Konversation zu betreiben und vor allem in der Fürbitte anzuerkennen, dass man weder das Maß aller Dinge noch der Weisheit letzter Schluss ist.

Häufig verpasse ich das, halte Monologe oder denke meine Gebete – zusammen mit anderen ist beten da schon bewusster, irgendwie erscheint der Abstand zu Gott zusammen mit anderen weniger, als würde die Luft dünner – versteht ihr?

Wenn wir versuchen im hier und jetzt entsprechend Gottes Plan Gemeinde zu bauen, sein Reich sichtbarer werden zu lassen, so führt uns das unweigerlich auf die Knie – es gibt so viele ungelöste Fragen, so viel Fehler, die wir jeden Tag machen, so viel an Arroganz, Wichtigtuerei und „Ohne-mich-würde-die -Christenheit-weiterhin-am-Boden-liegen“ Denke, dass mit wenn ich nur mein Leben anschaue regelmäßig schlecht wird. Im Gebet löst sich vieles davon, kommt ans Licht und kann korrigiert werden. Und es bringt die wackelnden Knie und die zitternden Herzen zusammen. Diese Mission der Gemeinde ist zu groß für uns und das ist gut so – wenn wir die Helden wären für die wir uns so oft halten, bräuchten wir das Gebet nicht. Vermutlich wäre es oft besser, wenn uns statt das Hirn vom Denken und die Hände vom Schaffen die Knie vom Beten weh tun würden. Vielleicht wäre auch unser Herz dann nicht mehr so unbeteiligt…

Missionale Gemeinde in „Zeitgeist“ (Teil 3)

„Christen sehen sich als Botschafter Jesu und sind motiviert, ein heiliges Leben zu führen, um nicht den Namen ihres Königs zu entehren, den sie repräsentieren.“ (Zeitgeist, S. 83)

Ich glaube wirklich, dass dies zu allen Zeiten ein Kennzeichen von Gottes Leuten war und alles Denken über „Inkarnation“ macht keinen Sinn, wenn wir nicht zugleich „ja“ zu einem heiligen Leben und zu unserer Botschafter Rolle sagen. Der Satz „das Medium ist die Botschaft“ wird nirgendwo mehr Wahrheit als in Jesus selbst.

Heiligkeit ist in den Tagen von Karrieregeilheit, unfairen Marktwirtschaftlichen Strategien, Internetpornografie, Steuerhinterziehung und völlig selbstverständlichem Softwareklau wohl mindestens genau so schwierig wie zu allen Zeiten vorher. Und als Medium der Botschaft Gottes diesen Gott zu entehren durch das was man tut oder das was man nicht tut ist wohl genau so leicht wie in allen Zeiten vorher. Von daher muss der Ruf nach Heiligkeit vor aller Coolness, aller Chilligkeit und allem Café Latte erschallen, wenn wir uns daran machen wollen Gott in dieser Welt zu repräsentieren – nichts anderes ist die Aufgabe eines Botschafters.

Nur die Motivation das zu tun leidet öfter mal, nicht wahr? Bei mir ist es so. Schneller, leichter – fast schon Joda-esk mutet der Gedanke an („ist die dunkle Seite stärker“ fragt Luke Joda – dieser entgegnet: „Schneller, leichter, nicht stärker“) – der Weg der Heiligkeit ist in dieser unserer Welt ein steiniger, denn er kostet viel – unser Leben wie wir es gelernt haben sollten wir eher verlernen, denn Heiligkeit bedeutet „Gott völlig zur Verfügung stehen“ – nicht der Kultur in der wir leben.

Vielleicht besteht darin die Mahnung bei aller „Inkarnation“ und „Inkulturation“ unserer Tage – die Mahnung eine radikale Gegenkultur wieder zu entdecken und zu leben: Die Kultur eines Reiches, dass nicht von dieser Welt ist und auch wenn wir das Echo dieser Kultur hier erleben und wahrnehmen können wird es einer größeren Hand als der unseren bedürfen, um aus der Gegenkultur die Vorherrschende zu machen und „Heilig“ in „Alltäglich“ zu verwandeln.

Bis dahin sind wir Wesen zweier Welten, die sich hoffentlich durch Gottes Gnade und unser Handeln aneinander annähern und die Werte der einen finden schon jetzt ihren Weg in die Wirklichkeit der anderen. Danach sollten wir streben mit der Ganzheitlich unseres Lebens und ohne Dualismus sondern ganz wie unser Gott drei und eins ist, sollen die Welten in uns zwei und eins werden.

Wenn mich jetzt noch jemand verstanden hat, dann wäre ich froh…ich bin wohl etwas ins Artikel/Buch schreiben abgedriftet…schnell aufhören…

🙂

Missionale Gemeinde in „Zeitgeist“ (Teil 1)

Irgendwie sind es die kleinen Artikel, die dieses Buch immer wieder in meine Hand befördern: Diesmal sind es Mike Bischoff und Tobias Faix, die mich zum bloggen veranlassen – das Thema „Missionale Gemeinde“ wird von den beiden in 4 1/2 Seiten kurz aber gut angerissen. Am der Artikel endet mit 15 Kennzeichen einer „Missionalen Gemeinde“, die ich hier vorstellen möchte:

„Man geht nicht zur Kirche, sondern man ist Kirche, unterwegs auf einer gemeinsamen Mission/Sendung.“ (Zeitgeist S.83)

Einer von den Sätzen, der den Wandel im Verstehen von Kirche gut zusammenfasst – Kirche ist nicht zunächst geprägt von „Handeln“, sondern vielmehr vom „Identität“ und dabei geht es noch einen gewaltigen Schritt weiter als uns Reformation und Pietismus gebracht haben: Man definiert sich als Teil der „Gemeinschaft Kirche“ und auch wenn es immer wieder Initiativen gibt, Kirche klein zu denken, kann man hier wirklich davon sprechen, dass es zumindest vom Ansatz her gegen den Individualismus geht. Dieser Individualismus, der seit mittlerweile hunderten von Jahren vorherrscht wird durch den Satz „man ist Kirche“ schwer in Frage gestellt. Ich kann sehr wohl allein Handlungen vollziehen, die den Werten und Grundsätzen von Kirche entsprechen, aber Kirche sein lässt sich als Einzelperson schwer denken, sondern da ist die Formulierung „Ich bin Teil von Kirche“ drängt sich einem geradezu auf.

Meine Identität ist etwas, das ich mit mir trage, das gegen diesen elenden „hier bin ich so und verhalte mich so, da bin ich ganz anders, je nach Gruppe in der ich mich bewege“ Fluch helfen kann. Mir hilft an diesem Kennzeichen vor allem das gemeinsame „unterwegs sein“ in der Sendung. Ich bin nicht nur da, um da zu sein, sondern vielmehr, weil wir als Kirche diese Mission, diese Sendung mit uns tragen, überall wo wir sind, in allem, was wir begreifen und bewegen.

Peter Rollins nächstes Buch: The Fidelity of Betrayal

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Eins muss man Peter Rollins lassen – er setzt Denktrends. Mit seinem neuen Buch macht er genau da weiter, wo er mit „How (Not) to Speak of God“ aufgehört hat und treibt „Heretical Orthodoxy“ auf die Spitze, indem er fragt: „What would Judas do?“

Rather, by asking whether Jesus would betray Christianity as Judas betrayed Christ, I am asking if Jesus would plot the downfall of Christianity in every form that it takes. Or rather, to be more precise, I am asking whether Christianity, in its most sublime and revolutionary state,always demands an act of betrayal from the Faithful. In short, is Christianity, at its most radical, always marked by a kiss, forever forsaking itself, eternally at war with its own manifestation. (Indem ich frage, ob Jesus das Christentum in genau der gleichen Weise verraten würde, wie Judas Christus selbst verraten hat, frage ich, ob Jesus den Untergang des Christentums in jeglicher Form, die es annehmen kann, vorbereitet. Oder, um es noch genauer auszudrücken, frage ich, ob das Christentum in seinem denkbar Besten und Revolutionären Status nicht einen ständigen Verrat seiner Treusten Anhänger fordert. Zusammengefasst: Ist das Christentum, da wo es am radikalsten Ausgelebt wird, immer von diesem Kuss gezeichnet, ewig sich selbst verleugnend und immer im Krieg mit seinen unterschiedlichen Formen liegend. Aus der Einleitung Übersetzung Björn Wagner)

Ich verstehen schon auf diesen ersten Seiten ein wenig von dem, wo Peter Rollins hin will und stelle fest, dass er eines meiner Herzensanliegen in Worte fast: Erneuerung, Hinterfragen von Strukturen, seien sie Organigramme oder Gedanken, sind sie aus Stein gebaut oder Schemata in den Köpfen der Menschen. Verrat üben und den Judaskuss als Teil radikaler Nachfolge zu sehen. Ich freue mich auf dieses Buch und seine drei Teile, die laut Rollins untrennbar miteinander verwoben sind (The word of god, the being of god, the event of god) und auf meine Reaktionen in meinem Leben auf diese Gedanken. Ich ahne, dass diese Judaskuss seinen Preis hat in beide denkbare Richtungen. Ich bete, dass mein Leben ver-folgen kann, was Nach-folge in diesem Zusammenhang heißen mag. Lies das erste Kapitel als pdf. Emergent Village schreibt auch darüber, genau wie Existenialpunk (1 Exzerpts / 2 Notizen von Peter Rollins)Peter ist ein Mann, mit dem ich gern einmal sprechen würde. Wie vermutlich viele andere auf diesem Planeten auch. (Link)

Brian Mclaren und Andrew im Gespräch über „Everything must change“

31LcP1t0xEL.jpgGerade bin ich über interessante Rückfragen von Andrew Jones gestossen, der Brian McLarens Buch „Everything Must Change: Jesus, Global Crises, and a Revolution of Hope“ gelesen hat. Er fragt Brian direkt:

  1. (sinngemäß) Warum erzählst Du in deinem Buch nichts über die Kirche als Gottes primäres Mittel zur Ausführung seiner Mission? Das hast Du schon vorher getan – hat sich daran etwas geändert?
  2. (sinngemäß) Ich vermisse etwas die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod, die eschatologische Hoffnung auf die Wiederherstellung aller Dinge. Bist Du von diesem Punkt der christlichen Orthodoxie abgekommen oder konzentrierst Du Dich bewusst auf eine immanente Sicht der Dinge, um Deinen Punkt zu verstärken?
  3. Es scheint mir so zu sein, dass Du in deinem Buch fast unreflektiert die Befreiungstheologie unterstützt und mit keinem Wort kritisch siehst, wie z.B. David Bosch das tut. Wie kommt das? (Andrew wird in der Antwort stark zurechtgestutzt…)

Der Dialog, der daraus entsteht ist lesenswert – ich habe keine Zeit ihn zu übersetzen, leider. Auf Englisch geht es hier entlang…

Eine deutsche Rezension des Buches gibt es hier.

ZeitGeist: Die Verwurzelung der Gemeinde in der Kultur

Nachdem es schon ewig lange draussen ist, fallen mir bei der Nachlese einige Dinge an „Zeitgeist“ wahnsinnig positiv auf. Zum einen das Blog, das die Möglichkeit eröffnet interaktiv seine Meinung zu dem Buch zu bekunden (das sollte sich viele Autoren zum Beispiel nehmen und den Mut haben transparent und zugänglich zu sein), zum anderen die teilweise ganz hervorragenden Artikel.

In vier Seiten schafft es Tobias Faix uns Christen eins zu verplätten und deutlich zu sagen: Unsere Gemeinden in Deutschland haben, nach oft kreativen Anfängen, die deutliche Tendenz sich in der „Bürgerlichen Mitte“ anzusiedeln. Dies scheint dann auch die Gottgegebene Lebensweise zu sein und ebenfalls auch die Gruppe derer zu definieren, denen man das Evangelium verkünden möchte – die „Zielgruppe“. Laut dem hervorragenden Sinus Report (hier gibt es eine Analyse unserer Gesellschaft als Grafik, sehr interessant!!!) macht diese „Bürgerliche Mitte“ gerade mal 15% der Bevölkerung Deutschlands aus. Ich zitiere einmal etwas länger aus „ZeitGeist“ (es hilft die Grafik angeschaut und die Beschreibung gelesen zu haben, bevor man das Zitat liest):

„Zum anderen, wo liegen denn die meisten Gemeinden? Dieser Gedanken deprimiert mich, da die meisten freikirchlichen Gemeinden aus der bürgerlichen Mitte stammen, die meisten Kirchen bestehen aus ‚Traditionsverwurzelten‘. Das ist grundsätzlich in Ordnung, die prägende Kultur, aus der Menschen kommen, wirkt sich auch auf Glauben, Gemeinde und Theologie aus, aber es gibt ja noch einige ‚Kartoffeln‚ mehr links, rechts, oben und unten! Was ist mit denen? Wer lebt in der Kultur der Hedonisten oder Konsum-Materialisten und baut mit deren Mitteln Gemeinde? Das sind die Herausforderungen der Gegenwart.“ (ZeitGeist, S. 40, Hervorhebungen meine)

Tobias weiß dabei von was er redet, denn empirische Forschung ist sein Spezialgebiet – er hat sogar ein Institut gegründet (empirica). Seine Aussagen decken sich mit dem, was Alan Hirsch schon vor einiger Zeit über die Gemeinden Australiens gesagt hat (mein Post vom 24.12.2006 und das Bild unten). Was passiert aber, wenn man etwas neues wagt? Auch hier findet Tobias klare Worte:

„Statt das Gemeinden froh sind dass sie sich gegenseitig ergänzen, vergeistlichen sie ihre Strukturen und kulturellen Werte und lehnen die anderen Gemeinden ab. Dies gilt übrigens für alle möglichen Seiten, was den einen zu engstirnig und spießig ist, ist den anderen zu abgedreht und unbiblisch. Dabei geht es meist nicht um eine echte theologische Auseinandersetzung, sondern um eine gesellschaftsrelevante Umsetzung von Folklore, das heißt, die kulturellen Aspekte wie Kleidung, Gebetsformen, traditionelle Gottesdienstabläufe, Liedgut, Sprache, Bibelübersetzung etc. spielen eine größere Rolle als die geistliche Haltung. Dies ist sehr bedenklich und zeugt von fehlender Selbstreflexion und geistlicher Arroganz.“ (ZeitGeist, S. 41, Hervorhebungen meine)

In vier Seiten wird also auf den Punkt gebracht, wie Kultur und Gemeinde jetzt schon verwoben sind – den Emerging Church Menschen wir allerorts vorgeworfen die Kultur und Gemeinde zu vermischen, dabei wird übersehen, dass sie bereits vermischt sind. Brian McLaren antwortet auf die Frage, „warum er denn das Evangelium so verwässert“ immer mit der Gegenfrage ob wir es nicht schon verwässert haben und es nur nicht mehr sehen können. Warum müssen sich gute und wichtige Initiativen immer zuerst gegen die harsche Kritik der Frommen wehren, die noch vor 10 Jahren harte, biblische Debatten darüber geführt haben, ob man ein Schlagzeug im Gottesdienst benutzen darf?Ich schliesse mit dem Abschluss des Artikels (und bedanke mich bei Tobias Faix und Thomas Weißenborn für ihre Initiative und das längst überfällige „ZeitGeist. Kultur und Evangelium in der Postmoderne“):

„Hier gilt es Vorurteile abzubauen und einander stehen zu lassen. Bevor man seine Geschwister verurteilt sollte man das Gespräch mit ihnen suchen und aufeinander zugehen. Unterschiedlichkeit war, wenn wir in die Bibel schauen, noch nie ein Kriterium, einander abzulehnen.“ (ZeitGeist, S. 41)

slide.001.png p.s. wenn Du das Buch noch nicht dein eigen nennst kannst Du es hier probelesen.